Mia´s Seite

Diagnose: Lissenzephalie - Pachygyrie




Die Geschichte eines 11 Wochen alten Mäuschens und ihrer kleinen Familie


Unsere Geschichte beginnt mit wunderschönen Schwangerschaft. Alles wurde beachtet und bedacht und alles zum Wohl des zukünftigen Engelchens wurde geplant und vorbereitet.

Natürlich macht man auch die entsprechenden Vorsorgeuntersuchungen und Zusatztests mit um auch ja kein Risiko einzugehen. Beim Triple Test gab es dann auch die ersten Probleme und ein Grenzwert wurde überschritten. Daraufhin wurden wir zu einer Spezialistin für Pränataldiagnostik in Erfurt/Thür. mit Verdacht auf einen offenen Rücken überwiesen. Man kann sich wohl vorstellen was werdende Eltern dabei empfinden. Welten brechen zusammen, unendliche Ängste entstehen und es durchströmen einen Gedanken, mit denen man sich nie vorher auseinandergesetzt hatte und geschweige denn dies wollte. Man hat solche Angst um sein ungeborenes Kind, dass man meint wahnsinnig zu werden. Diese Diagnose erwies sich zum Glück jedoch als falsch. Aber als Ersatz dafür wurde festgestellt, dass trotz des Beachtens aller Vorsichtsmaßnahmen die Plazenta wahrscheinlich nicht richtig durchblutet wurde. Nun ja wir bekamen ein Medikament und den schlauen Satz „Wir werden es weiter beobachten!“. Zum Glück wuchs unser kleines Murmelchen weiter und die Durchblutungsstörung wurde wieder vergessen. Das Leben hätte nicht schöner sein können.

Auch mit dem Auftauchen eines neuen Problems änderte sich das nicht. Unser Spatz, dieser kleine Dickkopf fing schon in der 30. Woche an auf den Muttermund zu drücken. Ein eingesetzter Ring sollte eine Frühgeburt verhindern. Na und, Mama lief wie auf Eiern durchs Leben und Papa bekam seine ersten grauen Haare. Aber alles wurde dann doch noch gut. Nur eine Woche früher als geplant, am 19.10.2007 um ca. 5.00 Uhr stand Mama wie ein begossener Pudel auf dem Weg zur Toilette da und hatte einen Blasensprung. Wir machten uns unverzüglich auf den Weg in die Klinik. Lange, viel zu lange hat es gedauert bis etwas passierte. Um ca. 12.00 Uhr wurden nach der Gabe eines Schmerzmittels die Herztöne schlechter und ein Wehentropf musste gelegt werden. Die Geburt konnte endlich losgehen…Sie verlief soweit wir einschätzen können normal. Nur kurzzeitig waren die Ärzte beunruhigt, weil wieder die Herztöne von unserem Mäuschen zu unregelmäßig waren, was sich jedoch nach kurzer Zeit legte. Um 15.06 Uhr erblickte unsere kleine Maus endlich das Licht der Welt. Unser Glück war einfach perfekt und wir waren die glücklichsten Eltern der Welt. Alles war in Ordnung und so nahm dann wohl unsere Geschichte ihren Lauf…

Mit dem Stillen taten wir uns sehr schwer. Unsere Maus kämpfte mit Mamas Brust wie ein Gladiator in der Arena. Aber nach ein paar Tagen und dank der wunderbaren Erfindung des Stillhüttchens klappte es endlich und wir wurden aus der Klinik entlassen. Ja endlich nach Hause wo alles schon für unser Mäuschen vorbereitet war. Die erste Zeit wurden wir von einer ganz lieben Hebamme, die wir in unserer Frauenarztpraxis kennen gelernt hatten und bei der wir auch den Vorbereitungskurs absolviert hatten, betreut. Wir bekamen viele Tipps und so manche Hilfe, die uns über die ersten Tage brachten bis sich alles eingespielt hatte. Nun und von da an, also knapp zwei Wochen nach der Geburt, kamen wir eigentlich allein zurecht und wir waren so stolz.

Es klappte alles so perfekt bis zum 18. Dezember als wir feststellten das unser Mäuschen beim Windel wechseln ins leere starrte und ihr Körper ganz steif und regungslos da lag. Daraufhin waren wir beim Kinderarzt wo wir ohnehin wegen der geplanten ersten Impfe bestellt waren. Unsere Maus wurde untersucht und nichts war zu finden. Zitat: „unser Kind sei kern gesund“. Es wurde uns gesagt wir sollten es beobachten und diese Zustände möglichst mit der Kamera aufnehmen, um sich ein Bild davon zu machen. Stellte sich uns nur die Frage, wer den ganzen Tag eine Kamera in der Hand hat, was wir hätten tun müssen um so etwas zu filmen. Also sind wir vorerst beruhigt nach Hause gefahren. Soweit ist auch nichts weiter passiert. Nur eben diese kurzen Momente in denen sie nicht anwesend war. Wir dachten na ja alles in Ordnung und es sind nur normale Säuglingsaktivitäten.

Bis kurz vor Weihnachten als unser Mäuschen anfing enormen Speichelfluss zu entwickeln. Gut kann man ja mit leben und es sei wohl normal. Das Problem an der ganzen Sache war nur, dass sie sich so dabei verschluckte, dass sie Atemprobleme bekam. Instinktiv taten wir das richtige und stellten sie auf den Kopf und ließen sie alles ausspucken. Zu der Zeit befanden wir uns bei Oma und Opa, bei denen wir unser erstes Weihnachten verbringen sollten. Daraufhin hieß es Nachtwache aus Angst um unsere Kleine. Verlief ja eigentlich alles ruhig bis zum 1.Weihnachtsmorgen um ca. 5 Uhr als sie sich so verschluckte, dass etwas rotes Sekret dabei war. Jetzt war es vorbei und wir sind in die nächst größere Stadt nach Bad Frankenhausen/Thür. in die Klinik gefahren. Allerdings gab es dort keine Kinderabteilung und wir wurden zu einer Notkinderärztin nach Artern/Thür. verwiesen. Was von der Sache her auch nicht falsch war. Behutsam und liebevoll war sie ja. Nur hatten wir das Gefühl, dass sie nicht wusste was sie tun sollte. So und nun Zitat “ Ihr Kind ist völlig gesund und in Ordnung“. Aber wir könnten ja mal ins Krankenhaus gehen, wo wir dann natürlich erst nach Weihnachten auf weitere Untersuchungen hoffen könnten. Also fuhren wir wieder ohne Ergebnis und Diagnose nach Hause. Der Tag weiter verlief eigentlich sehr ruhig und wir dachten okay, alles sei gut. Die folgende Nacht aber zeigte dasselbe wieder und wir wussten keinen Ausweg. Ca. 23 Uhr fuhren wir in das Klinikum Sangerhausen/Thür. in die Kinderabteilung. Unsere kleine Maus wurde ausführlich untersucht und dann kam die atemberaubende Diagnose…“Ihr Kind ist völlig gesund“…Spätestens dann kommt man an den Punkt zu sagen, ist man noch klar im Kopf? Bildet man sich alles nur ein?

Aber wir möchten eine alte Weisheit allen Müttern mit auf den Weg geben: "Die Einschätzung einer Mutter, dass etwas mit ihrem Kind nicht stimmt, ist in den meisten Fällen unbezweifelbar richtig!" Und wenn es tausend Ärzte auf der Welt gibt die sagen „Ihr Kind ist gesund!“. Eine Mutter kennt ihr Kind besser als jeder Arzt der Welt. Und so ging es dann Tage um Tage so weiter. Immer mit der Frage im Hinterkopf „Was stimmt hier nicht?“. Am 03.01.2008 sagten wir uns dann, wir holen eben noch eine Meinung ein. Was auch die entscheidende Wendung brachte. Eine kompetente und sehr belesene Ärztin aus Mühlhausen Dr. Med. Ebba Müller hat unser Kind nochmals untersucht. All unsere Beschreibungen fanden auf einmal Gehör und wurden zu unserem Schicksal. Die Diagnose war dieses Mal „Verdacht auf BNS-Anfälle“ (BNS – Blitz-Nick-Salaam). Im ersten Moment wussten wir ja gar nicht worum es eigentlich ging. Beunruhigt waren wir erst dann als wir eine Einweisung in das Hufeland Klinikum Mühlhausen bekamen. Dort wurden wir am 04.01.2008 aufgenommen und sofort stand ein EEG auf dem Plan. Ein EEG an einem 11 Wochen alten Kind. Man muss sich vorstellen, was das für ein Kampf war. Ein Säugling liegt ja nicht einfach ruhig da, um so was machen zu lassen. Also hieß es ein strampelndes, schreiendes Baby beruhigen bis unser Mäuschen nach einer Stunde Kampf vor Erschöpfung einschlief. Dann konnte das EEG geschrieben werden. Danach hieß es abwarten bis die Auswertung kommt und es begannen wieder Stunden der Ungewissheit und der Angst.

Zu dieser Zeit fing auch unsere Mia an zu krampfen. Und ab diesem Zeitpunkt kamen die Krämpfe dann regelmäßig und immer heftiger. Sie fing an den Kopf an die Brust zu ziehen und die Augen nach oben zu reißen. Die Arme zog sie nach vorn und die Beine winkelte sie an. Diese Anfälle kamen dann stündlich für 5-10 Minuten in denen sie sich um die 25-30 mal verkrampfte. Am Samstagabend den 05.01.08 kam endlich ein Arzt zu uns. Es kam der Chefkinderarzt Dr. med. Kuhberg persönlich und teilte uns mit, dass unser EEG nicht in Ordnung sei. Was wir durch die Anfälle nun auch selber bemerkt hatten. Er sagte, dass er für uns am Sonntag zu einem Kollegen nach Erfurt fahren würde, um ihm das Ergebnis vorzustellen. Nun stand fest wir hatten unseren Arzt des Vertrauens gefunden. Denn man muß sagen, er hatte eigentlich keinen Dienst. Wie es uns dabei erging muss man nicht weiter erläutern. Am Sonntagabend, den 06.01.08  kam unser Arzt erneut zu uns und erläuterte uns das Ergebnis aus Erfurt. Man war sich zusammen sicher unsere kleine Maus muß zum MRT. Wir waren erschüttert. Mit 11 Wochen im MRT. Wir konnten es nicht fassen. Es hat lange gedauert bis wir wieder gefasst waren. Eigentlich rechnet man mit allem und denkt es könnte nicht schlimmer kommen. Nur dann kam der Montag und unser Mäuschen wurde durch ein Beruhigungsmittel fertig zum MRT gemacht. Ca.12 Uhr wurde sie abgeholt und sie war auf dem Weg zum MRT. Und für uns begann wieder die bislang schlimmste Zeit des Wartens und Bangens. Nach einer Stunde bekamen wir endlich unser Mäuschen ohne jede Regung der Schwestern wieder. Ein kleines Ergebnis hatten wir uns wenigstens gewünscht. Wir stellten uns darauf ein, dass wir wieder Tage auf unsere Ergebnisse warten mussten. Wieder diese schrecklich ungewisse Zeit . Doch dieses Mal kam unser Arzt zu uns und hatte sich vorab schon ein Bild des Ergebnisses gemacht, damit wir nicht so lang warten mussten. Das zeigte uns, dass dieses ein echter Kinderarzt mit Leib und Seele war. Es stellte sich heraus, dass er unser weiter betreuender Arzt sein würde und das dieses Ergebnis unser weiteres Leben nachhaltig verändern sollte.

Unsere erschütternde Diagnose und die Bilder vom MRT trieben selbst unserem Kinderarzt die Tränen in die Augen. Die Diagnose war „Lissenzephalie“ in Verbindung mit BNS-Krämpfen. Vorerst wussten wir nicht was es bedeutet, doch als er uns alles erklärt hatte, war es wie ein Faustschlag mitten ins Gesicht. Unser Arzt sagte, dass die Prognose sehr schlecht sei und das selbst er nicht mit so einem Ergebnis gerechnet hatte. Das schlimmste aber war, als er meinte unser Kind hat keine hohe Lebenserwartung. Er war selber zutiefst berührt. Während der Schwangerschaft hatte sich also das Gehirn unserer Maus nicht richtig gefaltet und da die Hirnrinde des Großhirns für die Entwicklung zuständig ist, war mit einem Mal klar unser Kind wird kein normales Leben haben können. Man kann nur nicht sagen, inwieweit das Gehirn geschädigt wurde und wie es die Entwicklung weiter beeinträchtigt. Das weitere Problem ist eben das diese Krankheit zu wenig erforscht ist und wohl 20 bewiesene Fälle davon in Deutschland existieren. Die Dunkelziffer liegt bei ca. 200 wie unser Arzt meinte. Diese Krankheit wird einfach zu selten erkannt. Und deshalb können wir heute sagen, dass wir enormes Glück mit unserem Arzt hatten. Wir werden immer noch jeden Tag der stationären Behandlung von ihm persönlich aufgesucht und er gibt uns immer wieder Hoffnung. Heilbar ist diese Krankheit zwar nicht, jedoch ist es wohl möglich diese Anfälle einzudämmen.

Nun schreiben wir den 17.01.08 und wir sind weiter auf unbestimmte Zeit in stationärer Behandlung, da Mia auf ihre Medikamente eingestellt wird. Gleich nach unserem MRT wurde ihr ein Zugang im Schädel gelegt und durch diesen wurden ihr 300ml Vitamin B6 pro Tag gespritzt. Und am Donnerstag den 10.01. wurde ihr dann zum ersten Mal „Ospolot“ in Tablettenform gegeben. Wir sind gleich mit der Höchstdosis von einer Tablette am Tag eingestiegen. Das hieß eine halbe morgens und eine halbe abends. Wie gesagt wir schreiben jetzt den 17.01. und die Anfälle haben sich auf statt aller Stunde auf drei Stunden verbessert. Teilweise sind welche dabei die kaum noch von ihr wahrgenommen werden. Aber das ist nicht das Ergebnis was wir erhofft hatten. Aber gut es konnte ja nicht gleich einen Weltbewegenden Erfolg zeigen. Das wäre zu schön gewesen, um wahr zu sein. Aber wir warten und freuen uns jetzt riesig über jeden kleinen Erfolg und ab jetzt gehört auch das EEG zu unserem Leben. Wir warten jetzt die 10 Tage ab und sollte sich bis dahin kein Spiegel aufgebaut haben wird dann wohl die Dosis erhöht oder wir stellen auf „Sabril“ bzw. “Topamax“ um…

Langsam nach dem sich alles etwas beruhigt, kann man sich auch wieder um den Rest seines Lebens kümmern. Wir geben nicht auf, und egal was passiert wir halten zusammen und versuchen unserem Mäuschen die schönste Zeit ihres Lebens zu bieten. Und wir werden unser Mäuschen schnellst möglich nach Hause holen und sie mehr lieben als je zuvor…Egal wie schlimm es noch kommen mag, wir halten bis zuletzt durch und werden diesen steinigen Weg gemeinsam durchkämpfen. Jedes Lächeln unserer kleinen Maus gibt uns neue Kraft. Sie ist ein tapferer Kämpfer und wir werden deshalb keinesfalls den Kopf in den Sand stecken.